Montag, 1. Januar 2024

Vigdis Hjorth - Die Wahrheiten meiner Mutter

 

 

Warum es sich zu lesen lohnt:

 

"Die Wahrheiten meiner Mutter" handelt von Johanna, die nach 30 Jahren ohne Kontakt zu ihrer Familie in die Heimat zurückkehrt, um Kontakt zu ihrer Mutter aufzunehmen. Sie macht sich viele Gedanken, wie es der Mutter in all den Jahren ergangen sein mag und wie ihr heutiges Leben aussieht. Die Mutter blockt ab und verweigert der Tochter eine Aussprache. Johanna hat die Familie verlassen, weil sie Künstlerin werden und mit einem Künstler zusammenleben wollte. Beides konnte ihre Familie nicht nachvollziehen.
 
Die Autorin lässt uns an den Gedanken und Gefühlen von Johanna teilhaben, durch Johannas Erinnerungen erfahren wir auch etwas über die Vergangenheit der Familie und können Zusammenhänge erahnen. Die Perspektive von Mutter und Schwester bleiben jedoch im Dunklen. Mich hat immer wieder die Frage beschäftigt, wie der Blick der Mutter auf die Situation aussieht und warum sie ihrer Tochter den Wunsch einer Aussprache verweigert. Vor lauter Verzweiflung spioniert Johanna ihrer Mutter hinterher, lauert ihr auf, schleicht um ihr Haus. Es ist ein trauriges Buch, die Stimmung ist bedrückend und schwer. 

Gerade nach den Feiertagen, die von Familie geprägt sind, kann ich mir vorstellen, wie belastend es sein muss, wenn Kontakt und Aussprache verweigert werden und man sich mit dieser Situation arrangieren muss. Die Autorin greift diese Thematik sehr tiefsinnig auf und beschreibt Johannes Gefühle sehr authentisch:
„Ich fahre unverrichteter Dinge nach Hause, was sind das für Dinge? Wie können sie verrichtet werden? Das Leben geht so schnell vorbei. Es gibt so viele entscheidende Fragen, die wir nie stellen, nur in unserem tiefsten Herzen, es gibt so viele Dinge, die wir auszusprechen vermeiden, obwohl die Menschen, die zu Klärung und Aufklärung beitragen könnten, noch am Leben sind. Wir könnten sie aufsuchen und eine Antwort von ihnen verlangen, aber das tun wir nicht, warum nicht? Wir würden sowieso keine Antwort bekommen, auch nicht, wenn wir bettelten oder flehten, oder ist es den Preis nicht wert, die Demütigung, den Ärger, das Unangenehme. Wir verzichten auf entscheidende Informationen, um ein Unbehagen zu vermeiden, aber wir haben nur dieses einzige kleine Leben, und das Ungelöste, das Nicht-Gewusste kann uns bis an unser Lebensende quälen, vor allem nachts, nicht wahr?“
Johanna zieht sich in einer einfachen Hütte in der Natur zurück und versucht ihre Gefühle zu verarbeiten und ein Heimatgefühl in der Natur zu finden. Das Buch geht unter die Haut und ist sehr emotional, ich bin gespannt auf weitere Bücher der Autorin.
 

 

Inhalt:

"Johanna ist keine gute Tochter. Um sich zu retten, hat sie die Familie verlassen. Jetzt, dreißig Jahre später, ist sie wieder zu Hause. Sie sucht Nähe, sie will den Kontakt zur Mutter erzwingen, doch die verweigert sich kühl jeder Annäherung. Heimgesucht von den Erinnerungen an die Kindheit zieht Johanna sich in eine einsame Hütte am Fjord zurück, wo es an ihr ist, die Verhältnisse zu ordnen und sich aus den familiären Zwängen zu befreien."

 

Quelle: https://www.fischerverlage.de/buch/vigdis-hjorth-die-wahrheiten-meiner-mutter-9783103975123

 

Über das Buch:

 
Verlag: S. FISCHER
Erscheinungstermin: 27.09.2023
400 Seiten
ISBN: 978-3-10-397512-3
Übersetzt von Gabriele Haefs
24,00 €