Donnerstag, 15. November 2018

Juli Zeh - Neujahr

 

Warum es sich zu lesen lohnt:

 

Juli Zeh gelingt es in ihren Romanen immer wieder gesellschaftlich brisante Themen anzusprechen und spannend zu verpacken. Dieses Mal widmet sie sich den Themen Selbstüberforderung und Identität. Und wieder bin ich begeistert, mit welcher Meisterhaftigkeit ihr das gelingt.

Hennig und Theresa verbringen ihren Urlaub über Silvester auf Lanzarote, es war Hennigs Wunsch zu verreisen. Das Buch beschreibt seine Fahrradtour am Neujahrsmorgen auf einen Berg in Lanzarote. Seine Gedanken über sein Leben prägen die Fahrt nach oben.  Er führt das Leben eines ganz normalen Familienvaters mit zwei gesunden Kindern und seiner Frau Theresa. Einzig die Tatsache der Arbeitsteilung des Paars scheint ein wenig besonders an der Situation:
"Sie teilen sich Kinder und Beruf. Das ist ihnen wichtig. Sie haben einiges auf sich genommen, um ihr Modell bei den Arbeitgebern durchzusetzen."
Obschon sein Leben durchschnittlich scheint, leidet Hennig an Panikattacken, die er "ES" nennt. "ES" fällt ihn in allen möglichen Situationen an, wie ein wildes, unbezähmbares Tier und nimmt mit dieser Taktik einen großen Stellenwert in seinem Leben ein. Hennig ist emanzipiert, jedoch scheinbar völlig überfordert. Die Überforderung und die Panikattacken stehen in engem Zusammenhang, aber da ist scheinbar noch Etwas...

Als Hennig oben auf dem Berg ankommt, entkräftet und völlig dehydriert, wird im klar, dass er hier bereits einmal war. Im zweiten Teil des Buches wird Hennig aufgrund von Kindheitserinnerungen mit einem bisher komplett verdrängten Trauma konfrontiert. Eine grausame Erfahrung musste er als kleiner Junge, hier oben auf dem Berg, durchleben. Juli Zeh thematisiert, wie sehr Begebenheiten aus der Kindheit unser Leben prägen. Hennigs Befreiung von diesem Trauma ist klar und nachvollziehbar beschrieben, ohne utopisch zu wirken und hat mich sehr berührt.

Der neue Roman von Juli Zeh liest sich, insbesondere im zweiten Teil, wie ein Psychothriller und hat mich dennoch nachdenklich gemacht. Eine lesenswerte Mischung.


Inhalt:

"Lanzarote, am Neujahrsmorgen: Henning sitzt auf dem Fahrrad und will den Steilaufstieg nach Femés bezwingen. Seine Ausrüstung ist miserabel, das Rad zu schwer, Proviant nicht vorhanden. Während er gegen Wind und Steigung kämpft, lässt er seine Lebenssituation Revue passsieren. Eigentlich ist alles in bester Ordnung. Er hat zwei gesunde Kinder und einen passablen Job. Mit seiner Frau Theresa praktiziert er ein modernes, aufgeklärtes Familienmodell, bei dem sich die Eheleute in gleichem Maße um die Familie kümmern. Aber Henning geht es schlecht. Er lebt in einem Zustand permanenter Überforderung. Familienernährer, Ehemann, Vater – in keiner Rolle findet er sich wieder. Seit Geburt seiner Tochter leidet er unter Angstzuständen und Panikattacken, die ihn regelmäßig heimsuchen wie ein Dämon. Als Henning schließlich völlig erschöpft den Pass erreicht, trifft ihn die Erkenntnis wie ein Schlag: Er war als Kind schon einmal hier in Femés. Damals hatte sich etwas Schreckliches zugetragen - etwas so Schreckliches, dass er es bis heute verdrängt hat, weggesperrt irgendwo in den Tiefen seines Wesens. Jetzt aber stürzen die Erinnerungen auf ihn ein, und er begreift: Was seinerzeit geschah, verfolgt ihn bis heute."

Quelle: https://www.randomhouse.de/Buch/Neujahr/Juli-Zeh/Luchterhand-Literaturverlag/e529881.rhd 

Über das Buch:



Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 192 Seiten, 13,5 x 21,5 cm
ISBN: 978-3-630-87572-9
€ 20,00 [D
Verlag: Luchterhand Literaturverlag
Erschienen: 10.09.2018