Sonntag, 15. November 2020

Margaret Goldsmith - Patience geht vorüber

 

Warum es sich zu lesen lohnt:

Patience ist eine junge Frau im Berlin der 20er Jahre, die das Gefühl hat, nirgendwo richtig dazuzugehören. Sie sitzt immer zwischen den Stühlen: Bei der Herkunft (Mutter Britin und Vater Deutscher), der Sexuellen Orientierung (Männern und Frauen), ihrem Beruf (Journalistin und Medizinerin) und auch bei ihrem Wohnort (Berlin und London). So richtig festlegen kann und mag Patience sich nicht, sie ist immer auf der Suche und kommt nie so wirklich an.

In diesem Buch dürfen wir Patience dabei begleiten, einen Lebensentwurf zu finden, der zu ihr passt. Sie schmiedet Pläne, verwirft sie wieder, probiert sich aus und reflektiert ihre getroffenen Entscheidungen. Was mich sehr überrascht hat, ist, dass ihre Gedanken und Versuche der Lebensgestaltung sich wenig von denen heutiger Großstadtfrauen unterscheiden.

Patience ist eine moderne Frau, für die damalige Zeit. Eine Frau, die wenig Lust hat, sich in einer Ehe unterzuordnen und für die von Anfang an fest steht, dass sie einen Beruf erlernen und unabhängig sein will. Zunächst arbeitet sie als Journalistin, später studiert sie Medizin und geht in die Krebsforschung. Ich mag unkonventionelle Lebensentwürfe, wie den von Patience. Sie findet sogar durch Zufall eine unkonventionelle Lösung für ihre plötzlich aufflammende Sehnsucht nach Mutterschaft.

Das Buch wurde bereits 1931 veröffentlicht, die Autorin ist selbst eine faszinierende Persönlichkeit und mir hat sehr gut gefallen, dass ihr und ihrem Leben am Ende des Buches noch einige Seiten gewidmet sind. Auch das Buchcover stammt aus der damaligen Zeit, die Zeichnungen sind von Goldsmith Freundin Martel Schwichtenberg. 

Ein lesenswertes, kurzes Buch, welches einen aktuellen Bezug zur Gegenwart hat, obschon es vor 90 Jahren geschrieben wurde. 


Inhalt:

"Während an der Front gekämpft wird, feiern die beiden Schulfreundinnen Patience und Grete im April 1918 in einer kleinen Konditorei in Berlin ihr bestandenes Abitur. Beide sind froh, dass ihnen bei der Prüfung kein Bekenntnis zur Nation abverlangt wurde, stimmen sie doch schon lange nicht mehr in den patriotischen Überschwang ihrer Umgebung mit ein: Grete ist Sozialistin und Patience, die eine englische Mutter hat, wurde von den Mitschülerinnen ständig daran erinnert, dass sie »nicht dazugehört«.

Margaret Goldsmith schildert in ihrem erstmals 1931 veröffentlichten Roman »Patience geht vorüber« die Lebensentwürfe und Enttäuschungen der sympathischen Heldin Patience – von deren leidenschaftlicher Liebe zu Grete bis zum »neusachlichen« Umgang mit Beziehungen Ende der 1920er-Jahre, der Arbeit als Journalistin zwischen Deutschland und England bis zur Karriere als Medizinerin, die Patience bis in die USA führt. Zwischen den Klassen, den Nationen, aber auch den Geschlechtern stehend, lotet die junge Berlinerin die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Nachkriegskulturen, der Sexualmoral und der Rollenbilder in Deutschland und England aus. Aus der Sicht einer selbstbewussten jungen Frau entsteht dabei ein dichtes Zeitbild vom Ende des Ersten Weltkriegs und der Novemberrevolution über die Inflation 1923 bis ins Jahr 1930; charmant, humorvoll und unprätentiös erzählt – und immer wieder überraschend aktuell."

Quelle: https://www.aviva-verlag.de/programm/patience-geht-vor%C3%BCber/

 

Über das Buch:


Herausgegeben und mit einem Nachwort von Eckhard Gruber
gebunden, mit Leseband
224 Seiten
19,00 €
ISBN: 978-3-932338-94-6
Verlag: AvivA Verlag