Sonntag, 28. März 2021

Salih Jamal - Das perfekte Grau

Warum es sich zu lesen lohnt:

 

Ein Roman über vier Menschen, die auf der Flucht sind. Auf der Flucht vor der Polizei, auf der Flucht vor schrecklichen Kindheitserinnerungen, auf der Flucht vor sich selbst. Mimi, Novelle, Rofu und Dante haben zwar verschiedene Gründe ihre Heimat hinter sich zu lassen, aber sie alle kennen die Gefühle, die das auslöst:

"Flucht ist ein ständiges Zerplatzen von Träumen, ein Wechselbad aus Angst vor jedem neuen Aufbruch in etwas Unbekanntes und der Hoffnung, das es dort nicht mehr so schwer sein wird. Flucht ist keine Scheißreise! Flucht ist nichts anderes als das Wort Fluch mit einem Kreuz am Ende, so wie auf euren Friedhöfen."

Sie begegnen sich in einem Hotel an der Ostsee, welches seine besten Zeiten bereits hinter sich hat und gemeinsam brechen sie von dort auf. Nach und nach lernen sie sich immer besser kennen und erfahren die Lebensgeschichten der anderen. Sie zeigen sich von ihren verletzlichen Seiten, sie streiten, sie haben Mitgefühl, schütteln den Kopf übereinander, stehen füreinander ein, sind genervt und werden schließlich Freund*innen.  

Salih Jamal spricht in seinem Buch Themen wie Flucht, Heimat, Gewalt und Ausbeutung an. So ist es kein romantischer Roadtrip auf dem die vier Protagonisten sich befinden, sondern die Suche nach einem besseren Leben. Dennoch gibt es auch immer wieder witzige Dialoge zwischen den sehr unterschiedlichen Figuren.

Mir hat das Buch sprachlich sehr gefallen, es sind Lebensweisheiten darin enthalten, die der Autor locker in die Dialoge einfliessen lässt und die dennoch nachdenklich machen: 

So fragt Dante Mimi, die seit Jahren im Untergrund lebt, weil sie ihren gewalttätigen Mann umgebracht hat, was sie die ersten Jahre gemacht hat, in ihrem Versteck und was sie hat weiterleben lassen:

""Ich habe gelesen", antwortete Mimi, "und ich lernte zu kochen.(...)Zuerst fing ich ganz automatisch an zu lesen. Um die Zeit totzuschlagen. Doch dann, als der Puls der Stunden tatsächlich immer leiser wurde, bis er fast ganz verstummte, öffnete sich in den Büchern eine geheime Tür, durch die ich in Welten schritt, ohne dass ich mich fortzubewegen brauchte, und schließlich ist die Welt zu mir gekommen. Lesen ist wie Reisen im Kopf. Es hat mich gerettet. Bücher haben mich davor bewahrt, verrückt zu werden. Bücher und Kochen.""

 

Inhalt:

"Das ist die Geschichte von Novelle, Rofu, Mimi und von mir. Rofu hat nur ein Ohr und ist über das Meer gekommen. Aus Afrika. Mimi ist Engländerin. Sie hat ihren Mann umgebracht, nun versteckt sie sich unter Perücken und hinter dunklen Brillen. Novelle ist noch sehr jung. Sie liebt Mangas und die Sauferei. Manchmal fährt sie einfach aus der Haut oder sie hört Stimmen. Den komischen Namen hat sie von ihrer Mutter. Als unsere Geschichte damals losging, wusste ich das alles noch nicht. Ich, ich heiße Ante, aber alle nennen mich Dante. Wegen des Infernos. Ich bin, genau wie die anderen, auch auf der Flucht.

Ich glaube, vor mir selbst.

Alles fing damit an, dass zwei Polizisten wegen Mimi in dem Hotel, in dem wir gearbeitet hatten, auftauchten. Ich könnte jetzt noch erzählen, wie Novelle verschwunden und wieder aufgetaucht ist, was wir in Berlin getrieben haben oder wie wir Erleuchtung beim Pilgern nach Altötting erlangten. Aber darum geht es in der Geschichte ja eigentlich gar nicht. Es geht nämlich darum, dass wenn wir schon vor irgendwem oder irgendetwas fliehen, wir uns besser nicht vor unseren Dämonen wegducken sollten. Weil man sonst immer ein Geflüchteter bleiben wird und niemals wo ankommt.

Und es geht auch um Heimat, die wie eine Haut ist."

Quelle: http://www.septime-verlag.at/Buecher/buch_das_perfekte_grau.html

 

Über das Buch:

Gebunden mit Schutzumschlag, Lesebändchen
240 Seiten
Preis: 22,90 € [D]
ISBN: 978-3-99120-001-7
Verlag: Septime Verlag