Montag, 7. April 2025

Katharina Hagena - Flusslinien

 

Warum es sich zu lesen lohnt:

Der Schauplatz dieses Romans ist eine Seniorenresidenz an der Elbe, in der wir abwechselnd die Perspektiven von Margit, der 102-jährigen Bewohnerin, ihrer Enkelin Luzie und Arthur, dem Fahrer der Residenz, einnehmen dürfen.

Margit war früher Atemtherapeutin, was ihr die besondere Fähigkeit verleiht, am Atmen und Sprechen der Menschen ihre innere Befindlichkeit zu erkennen. Auch wenn sie manches vergisst, nimmt sie vieles wahr, was anderen verborgen bleibt – zum Beispiel die tiefe Wut ihrer Enkelin Luzie. Margit möchte sich von Luzie tätowieren lassen. Weil Luzie üben muss, denn sie möchte Tattookünstlerin werden und weil für Margit die Aussage "das bleibt ein Leben lang" relativ ist. Wie lang dauert ihr Leben wohl noch? Margits Betrachtungen über das Leben und das Alter waren für mich sehr lesenswert:

"Alt sein ist oft wie Kind sein, bloß ohne dabei noch irgendwen zu entzücken".

Luzie wohnt aktuell im DLRG Häuschen am Elbstrand und hat die Schule geschmissen. Sie musste eine traumatische Erfahrung machen und hat leider von ihrem Umfeld wenig Unterstützung bei der Verarbeitung erfahren. Die Szenen, in denen Luzie ihre Oma tätowiert, haben mir besonders gut gefallen. Während die Nadel surrt, herrscht oft eine stille Vertrautheit zwischen den beiden. Manchmal erzählt Margit von ihrem Leben, während Luzie das Gehörte in das Tattoo einfließen lässt. Für Luzie haben Tattoos eine tiefere Bedeutung:

"Tattoos und Piercings geben dir die Kraft, einem Blick, der Macht über dich ausüben will, etwas entgegenzusetzen. Sie ziehen diesen Blick zwar auf sich, aber nicht, um zu gefallen, sondern um stark zu sein. Sie sind wie eine Rüstung. Und manchmal wie ein Kinnhaken."

Und dann ist da noch Arthur. Auch er hat einen Schicksalsschlag erleiden müssen und versucht mit seinem Gefühl der Schuld klarzukommen. Arthur erfindet eigentlich Sprachen und ist Profitaucher. Er mag Margit und auch ihre verschlossende Enkelin fasziniert ihn zunehmend. Luzie und Arthur vertrauen sich ganz langsam und vorsichtig einander an. 

Ein ganz zauberhaftes Buch hat Katharina Hagena da geschrieben. Von mir eine große Empfehlung. 

 

Inhalt:

"Margrit Raven ist hundertzwei und wartet auf den Tod. Früher war sie Stimmbildnerin, jetzt lebt sie in einer Seniorenresidenz an der Elbe. Jeden Tag lässt sie sich von dem jungen Fahrer Arthur in den Römischen Garten bringen. Dort, mit Blick auf den Fluss, erinnert sie sich: an ihre Kindheit, den Krieg, ihre Liebhaber und an das, was sie über die einstige Gärtnerin dieses Parks weiß, Else, die große Liebe ihrer Mutter.

Die Erinnerungen halten Margrit am Leben – und die Besuche ihrer zornigen Enkelin. Luzie hat sich kurz vor dem Abitur von der Schule abgemeldet und übernachtet nun allein in einer Hütte an der Elbe. Während sie Margrit, deren Mitbewohner und sich selbst im Keller der Seniorenresidenz tätowiert, versucht sie, Stich für Stich, ihre Kraft und ihr Leben zurückzugewinnen.

Und dann ist da noch Arthur. Wenn er gerade niemanden zur Dialyse fährt, sucht er mit einer Metallsonde den Strand ab, erfindet Sprachen, kämpft für gefährdete Arten und ringt mit einer Schuld.

Um nicht vom Strom der eigenen Erinnerungen fortgerissen zu werden, müssen sich die drei auf sich selbst besinnen. Und aufeinander einlassen."

Quelle: https://www.kiwi-verlag.de

 

Über das Buch:


Verlag: Kiepenheuer&Witsch
Erscheinungstermin: 13.03.2025e
ISBN: 978-3-462-00729-9
400 Seiten 
24,00 €