Warum es sich zu lesen lohnt:
Hannah Lühmann greift in ihrem Roman „Heimat“ mehrere hochaktuelle Themen auf: das Comeback des konservativen Frauenbildes, wie es unter dem Hashtag #Tradwife in sozialen Medien kursiert, sowie den zunehmenden Rechtsruck in Deutschland. Geschickt verknüpft sie diese beiden Strömungen zu einer beunruhigenden Erzählung.
Im Mittelpunkt steht Jana, die gemeinsam mit ihrem Mann und zwei kleinen Kindern von der Stadt aufs Land zieht. Schwanger mit dem dritten Kind kündigt sie ihren Job und sucht in der neuen Umgebung nach Orientierung – nicht nur räumlich, sondern auch emotional. Dort trifft sie auf Karolin, Mutter von fünf Kindern, tief verwurzelt in christlich-konservativen Werten und als Tradwife-Influencerin auf Instagram aktiv. Jana fühlt sich auf unerklärliche Weise angezogen von dieser Frau, bei der alles so leicht und zufrieden wirkt.
Karolin lehnt Impfungen ab, sieht Fremdbetreuung von Kindern kritisch und lebt ein scheinbar perfektes Familienleben zwischen Apfelkuchen, Basteln mit Naturmaterialien und Instagram-Ästhetik. Doch mit wachsender Nähe erkennt Jana die dunklen Untertöne: Karolins politische Überzeugungen sind radikal, patriarchal geprägt – und es entsteht der Verdacht, dass hinter der Fassade familiäre Gewalt verborgen liegt.
Lühmann gelingt es meisterhaft, die Ambivalenz zwischen Faszination und Befremden darzustellen. Sie zeigt, wie verführerisch klare Rollenbilder und geordnete Lebensmodelle wirken können – gerade in Momenten persönlicher Überforderung. Gleichzeitig legt sie offen, welche ideologischen Abgründe sich hinter dieser Ordnung verbergen können.
„Heimat“ ist ein hochaktueller, kluger Roman, der sich flüssig liest und zum Nachdenken anregt. Klare Leseempfehlung.
Inhalt:
"Als Jana mit ihrer Familie aufs Land zieht, merkt sie schnell: Hier gelten andere Regeln. Hinter der bürgerlichen Fassade lauert ein höchst problematisches Weltbild, wie selbstverständlich wird hier AfD gewählt. Auch Janas charismatische Nachbarin Karolin hat sich ganz der Rolle als Hausfrau und Mutter verschrieben. Je mehr Zeit Jana mit Karolin verbringt, desto klarer wird ihr, dass sie auf eine sehr zeitgemäße Weise ultrakonservativ ist – sie kämpft als »Tradwife« im Namen der Tradition gegen alles, wofür Jana eigentlich steht. Jana versucht, sich gegen ihre Faszination zu wehren, und ertappt sich doch immer wieder bei dem verstörenden Gedanken, dass sie Karolin um ihr Leben beneidet …"
Quelle: https://www.hanser-literaturverlage.de